To Feel Competent or Not to Feel Competent. Unter Welchen Umständen Schüler*innen Sich im Unterricht Kompetent Fühlen

Reymond N (2024)
Bielefeld: Universität Bielefeld.

Bielefelder E-Dissertation | Deutsch
 
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Abstract / Bemerkung
Um im Unterricht eine hohe Motivationsqualität zu unterstützen, gilt es neben den im Schulkontext zu erwerbenden Kompetenzen auch unterschiedlichen Wahrnehmungen der eigenen Kompetenz durch die Schüler\*innen zu begegnen (Ryan & Deci, 2017, 2020; Vansteenkiste et al., 2020). Wer Unterricht beobachtet, wird jedoch schnell feststellen, dass eine hohe wahrgenommene Kompetenz bei Schüler\*innen nicht selbstverständlich ist. Unabhängig von Leistungsständen sind Aussagen wie „Das kapier‘ ich eh nicht“ im Unterricht keine Seltenheit. Dies steht im Einklang mit Studien, die bei Schüler \*innen nur moderate und über die Schulzeit hinweg abnehmende kompetenzbezogene Überzeugungen zeigen (Coelho et al., 2020; Freiberger et al., 2012; Scherrer & Preckel, 2019). Die wahrgenommene Kompetenz von Schüler\*innen als ein Phänomen des „Sich-Wirksam-und-Fähig-Fühlens“ sollte in der Beforschung und Gestaltung von Unterricht daher Berücksichtigung finden. In der Selbstbestimmungstheorie (SBT), die neben dem Einbezug weiterer theoretischer Blickwinkel den theoretischen Ausgangsrahmen dieser Dissertation bildet, wird die wahrgenommene Kompetenz gar als ein psychologisches Grundbedürfnis angesehen (Ryan & Deci, 2017). Zur Förderung der wahrgenommenen Kompetenz liegen vielversprechende Erkenntnisse vor (Ryan & Deci, 2020; Vansteenkiste et al., 2020). Beispielsweise sagt Struktur, die etwa durch eine klare Kommunikation von Erwartungen gekennzeichnet ist, die wahrgenommene Kompetenz von Schüler\*innen in metaanalytischer Forschung positiv vorher (Vasconcellos et al., 2020). Unterdessen besteht ein Bedarf an weiterer Forschung zur Vorhersage der wahrgenommenen Kompetenz von Schüler\*innen. Beispielsweise erschweren einige widersprüchliche Befunde zu zwei wichtigen Prädiktoren der wahrgenommenen Kompetenz (Struktur, Autonomieförderung; Ryan & Deci, 2020) kohärente Implikationen dazu, wie Lehrkräfte die wahrgenommene Kompetenz von Schüler\*innen in der Unterrichtspraxis unterstützen können (Guay, Roy, & Valois, 2017; Steingut et al., 2017; Vasconcellos et al., 2020). Das übergeordnete Ziel der vorliegenden Dissertation besteht in der Gewinnung neuer Erkenntnisse dazu, wie die wahrgenommene Kompetenz von Schüler\*innen im Schulunterricht vorhergesagt werden kann. Um bestehendes Wissen zu untermauern, zu verfeinern und zu erweitern, sollen sowohl auf theoretischer Ebene (integrativer Ansatz) als auch auf methodischer Ebene (hybrider Ansatz) mehrere Blickwinkel kombiniert werden. Den drei dieser Dissertation zugrundeliegenden Manuskripten gemeinsam ist somit erstens das Ziel, innerhalb der SBT bestehendes Wissen zur Vorhersage der wahrgenommenen Kompetenz zu untermauern. Zweitens sollen bestehende Möglichkeiten zur Vorhersage der wahrgenommenen Kompetenz von Schüler\*innen um neue Möglichkeiten erweitert werden. Ein drittes Ziel der Manuskripte ist die Ergänzung bestehender Forschung zur Vorhersage der wahrgenommenen Kompetenz um Methoden, die bisher wenig Berücksichtigung fanden. Zu nennen ist hier beispielsweise die dem Hybridansatz der vorliegenden Arbeit innewohnende Kombination qualitativer und quantitativer Methoden (Gelo et al., 2008). Auf diese Weise soll ein wichtiger Grundstein gelegt werden, um die Forschung und Praxis in Zukunft durch theorieübergreifende Interventionen anreichern zu können, die die wahrgenommene Kompetenz von Schüler\*innen unterstützen. In Manuskript 1 wurde ein qualitativer Ansatz genutzt, um Faktoren zu identifizieren und zu systematisieren, welche die wahrgenommene Kompetenz von Schüler\*innen fördern können. In dieser kombiniert deduktiv-induktiven Studie wurden 25 Schüler\*innen mittels episodischer Interviews danach befragt, was ihnen im Schulunterricht dabei hilft, sich kompetent zu fühlen. Die Interviews wurden qualitativ-inhaltsanalytisch ausgewertet. Als Kernergebnis wurden verschiedene Faktoren des Unterrichts, der Lehrkräfte, der Schüler\*innen sowie von Mitschüler\*innen identifiziert und klassifiziert, welche aus Sicht der interviewten Schüler\*innen zu deren wahrgenommener Kompetenz beitragen. Dabei wurden sowohl Faktoren aus der SBT, als auch weitere Faktoren gefunden und in ein Kategoriensystem eingeordnet. Manuskripte 2 und 3 verfolgten die in Manuskript 1 gewonnenen Erkenntnisse weiter. In einer quantitativen Studie mit 277 Schüler\*innen wurden ausgewählte Faktoren untersucht, welche der wahrgenommenen Kompetenz in Studie 1 zuträglich waren. Ein besonderer Fokus wurde dabei auf spezifische Kompetenzstandards (Zielorientierungen, Bezugsnormorientierungen; Manuskript 2) sowie auf die Unterrichtsqualität (Manuskript 3) gelegt, um bisherige Möglichkeiten zur Vorhersage der wahrgenommenen Kompetenz im Unterricht zu erweitern. Ziel von Manuskript 2 war es dabei, mittels eines Multilevel-Designs zu untersuchen, ob ausgewählte Ziel- und Bezugsnormorientierungen als Unterrichts- und Schüler\*innenmerkmale die in der SBT gängigen Prädiktoren der wahrgenommenen Kompetenz (Struktur, Autonomieförderung; Ryan & Deci, 2020) ergänzen können. Als Ergebnis sagte die Lernzielstruktur im Klassenraum die wahrgenommene Kompetenz der Schüler\*innen unter Berücksichtigung von Struktur und Autonomieförderung positiv vorher. Auch die Autonomieförderung, Struktur und die kriteriale Bezugsnormorientierung hingen mit der wahrgenommenen Kompetenz der Schüler\*innen positiv zusammen. Die individuellen Zielorientierungen der Schüler\*innen erwiesen sich als bedeutsame Mediatoren für die Zusammenhänge der Lern- und Annäherungsleistungszielstruktur im Unterricht mit der wahrgenommenen Kompetenz der Schüler\*innen. In Manuskript 3 wurden die Forschungsfelder der Unterrichtsqualität und der SBT verknüpft. Ziel war es hierbei, zunächst ein gemeinsames Modell der in der SBT und Unterrichtsqualitätsforschung zur Vorhersage der wahrgenommenen Kompetenz postulierten Variablen zu etablieren. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Strukturgleichungsmodelle in ihrer Eignung verglichen, die gemeinsame Faktorenstruktur von Struktur, Autonomieförderung und der Unterrichtsqualität abzubilden. In einem zweiten Schritt sollte die wahrgenommene Kompetenz der Schüler\*innen durch die Faktoren des resultierenden Modells vorhergesagt werden. Als Ergebnisse ließen sich die untersuchten Variablen aus der SBT (Struktur, Autonomieförderung) und aus der Unterrichtsqualitätsforschung (konstruktive Unterstützung, Klassenführung, kognitive Aktivierung) erfolgreich in ein gemeinsames Modell integrieren. Das beibehaltene Modell erwies sich als geeignet für die Vorhersage der wahrgenommenen Kompetenz von Schüler\*innen. In Rückbezug auf die Ziele dieser Dissertation resultierten alle drei Manuskripte erstens in weiterer Evidenz dafür, dass die in der SBT üblicherweise postulierten Variablen zur Vorhersage der wahrgenommenen Kompetenz mit dieser in einem positiven Zusammenhang stehen. Zweitens zeigten die Manuskripte jeweils neue Möglichkeiten auf, die wahrgenommene Kompetenz von Schüler\*innen vorherzusagen. In Manuskript 1 konnten beispielsweise bisher unberücksichtigte Faktoren (z. B. das Miteinander unter Peers) exploriert werden. In Manuskript 2 standen die Lernzielstruktur, die individuellen Zielorientierungen der Schüler*innen und die kriteriale Bezugsnormorientierung von Lehrkräften in einem positiven Zusammenhang mit der wahrgenommenen Kompetenz der Schüler\*innen. In Manuskript 3 konnte die Unterrichtsqualität mit der wahrgenommenen Kompetenz von Schüler\*innen in einen positiven Zusammenhang gebracht werden. In allen drei Manuskripten wurden schließlich methodische Zugänge erschlossen, die die Validität und Generalisierbarkeit bestehender Erkenntnisse zur Förderung der wahrgenommenen Kompetenz erweitern und diese um neue Forschungsperspektiven ergänzen. Insgesamt zeigen die Ergebnisse dieser Dissertation die Vorteile eines integrativen (theorieübergreifenden) und hybriden (kombiniert qualitativen und quantitativen) Forschungsansatzes auf. Zum einen wurden vielfältige Faktoren identifiziert, die neue Richtungen für die Vorhersage der wahrgenommenen Kompetenz von Schüler\*innen eröffnen. Zum anderen ist die vorliegende Dissertation ein Beispiel dafür, wie Synergien zwischen Forschungsgrundverständnissen genutzt und Forschungsbedarfe innerhalb von Theorien unter Berücksichtigung weiterer theoretischer Hintergründe adressiert werden können.
Jahr
2024
Seite(n)
252
Page URI
https://pub.uni-bielefeld.de/record/2992939

Zitieren

Reymond N. To Feel Competent or Not to Feel Competent. Unter Welchen Umständen Schüler*innen Sich im Unterricht Kompetent Fühlen. Bielefeld: Universität Bielefeld; 2024.
Reymond, N. (2024). To Feel Competent or Not to Feel Competent. Unter Welchen Umständen Schüler*innen Sich im Unterricht Kompetent Fühlen. Bielefeld: Universität Bielefeld.
Reymond, Nadia. 2024. To Feel Competent or Not to Feel Competent. Unter Welchen Umständen Schüler*innen Sich im Unterricht Kompetent Fühlen. Bielefeld: Universität Bielefeld.
Reymond, N. (2024). To Feel Competent or Not to Feel Competent. Unter Welchen Umständen Schüler*innen Sich im Unterricht Kompetent Fühlen. Bielefeld: Universität Bielefeld.
Reymond, N., 2024. To Feel Competent or Not to Feel Competent. Unter Welchen Umständen Schüler*innen Sich im Unterricht Kompetent Fühlen, Bielefeld: Universität Bielefeld.
N. Reymond, To Feel Competent or Not to Feel Competent. Unter Welchen Umständen Schüler*innen Sich im Unterricht Kompetent Fühlen, Bielefeld: Universität Bielefeld, 2024.
Reymond, N.: To Feel Competent or Not to Feel Competent. Unter Welchen Umständen Schüler*innen Sich im Unterricht Kompetent Fühlen. Universität Bielefeld, Bielefeld (2024).
Reymond, Nadia. To Feel Competent or Not to Feel Competent. Unter Welchen Umständen Schüler*innen Sich im Unterricht Kompetent Fühlen. Bielefeld: Universität Bielefeld, 2024.
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Material in PUB:
Teil dieser Dissertation
Why Students Feel Competent in the Classroom: A Qualitative Content Analysis of Students’ Views
Reymond N, Nahrgang RG, Großmann N, Wilde M, Fries S (2022)
Frontiers in Psychology 13: 928801.
Teil dieser Dissertation
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