Der Erwerb der graphischen Kennzeichnung der Vokallaute bei mehrsprachigen Kindern: Verschriftungsstrategien statt phonologischer Interferenz
Walkenhorst A (2020)
Presented at the Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft, AG 'Orthographie und Mehrsprachigkeit', Hamburg.
Konferenzbeitrag
| Veröffentlicht | Deutsch
Download
Es wurden keine Dateien hochgeladen. Nur Publikationsnachweis!
Autor*in
Abstract / Bemerkung
Das Deutsche verfügt über 15 Vokalphoneme, die in betonbaren Silben auftreten können. Diese treten phonologisch in Paaren von gespanntem und ungespanntem Vokal auf (Hall 2011: 68, Eisenberg 1998: 93 ff.). Im Grapheminventar steht pro Vokalpaar jedoch nur ein Graphem zur Verfügung (mit Ausnahme von und ). Durch Gestaltung der Schreibsilbe wird markiert, ob das Vokalgraphem die gespannte (offene Schreibsilbe wie in ) oder ungespannte Variante repräsentiert (geschlossene Schreibsilbe wie in und ). In dem wissenschaftlichen Diskurs um den Schrifterwerb im mehrsprachigen Kontext ist weiterhin die Frage offen, ob phonologische Interferenzen aus der L1 zu Schwierigkeiten beim Schrifterwerb in der L2 Deutsch führen, z.B. wenn der Vokalraum der L1 in weniger Phoneme unterteilt ist und/oder Vokalphonemkategorien von denen des Deutschen abweichen (siehe dazu bspw. Becker 2011). Im Vortrag werden Ergebnisse eines Forschungsprojekts vorgestellt, in dem der Frage nach der Rolle der Unterscheidungsfähigkeit der Vokalgespanntheit beim Erwerb der graphischen Kennzeichnung der Vokale nachgegangen wird.
Dazu wurde eine phonetische Perzeptionsstudie zur Diskrimination hinsichtlich der Vokalgespanntheit deutscher Vokale bei deutsch-einsprachigen und deutsch-russisch- sowie deutsch-türkisch-zweisprachigen Erstklässler*innen durchgeführt (n = 75, Alter 6-7). Bei wenigen Vokalkontrasten konnten signifikante, jedoch geringfügige Gruppenunterschiede beobachtet werden. Daher können die Ergebnisse etwaige Schwierigkeiten von mehrsprachigen Kindern beim Erwerb der graphischen Kennzeichnung der Vokallaute nicht erklären.
In einer Longitudinalstudie mit ein- und zweisprachigen Kindern (n = 12) wurden frühe Schrifterwerbsprozesse in einem vorrangig qualitativen Forschungsdesign untersucht. Dazu wurden während der ersten zwei Schuljahre die perzeptiven Diskriminationsleistungen hinsichtlich der Vokalgespanntheit erhoben, Interaktionen zu phonologischen und graphischen Wortgestalten audio- oder videographiert sowie Schriftproben gesammelt. Die Daten zeigen, dass offenbar nicht phonologische Interferenzen, sondern vielmehr die Verschriftungsstrategien der Kinder relevant sind: Einige Kinder mit hoher Diskriminationsleistung orientieren sich an gedehnt gesprochenen lautlichen Formen, was z. T. zu einer Manipulation des Vokallauts führt (z. B. [mɪtə] [me:tə]), was wiederum in der Wahl eines inadäquaten Graphems resultiert (). Eine andere Untergruppe kennzeichnet Vokalgespanntheit relativ früh schriftsystemkonform, obwohl sie eine geringere Diskriminationsfähigkeit aufweist. Diese Kinder orientieren sich beim Schreiben an graphischen Formen, die sie in dem Kontext bereits verschriftet oder sich gemerkt haben. Darüber gelangen sie offenbar schneller zu korrekten phonologischen Repräsentationen der Vokallaute, die ihnen wiederum beim Erwerb der Schreibung hilfreich sind. In der Studie zeigt sich kein Zusammenhang zwischen dem sprachlichen Hintergrund und den Verschriftungsstrategien. Daraus wird geschlossen, dass Mehrsprachigkeit weniger Einfluss auf den Schrifterwerb hat als das individuelle Vorgehen beim Schreiben.
Im Vortrag sollen die Ergebnisse der Longitudinalstudie vorgestellt und die Frage nach der Rolle des sprachlichen Hintergrundes diskutiert werden.
Literatur:
Becker, Tabea (2011): Schriftspracherwerb in der Zweitsprache. Eine qualitative Längsschnittstu-die. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren.
Eisenberg, Peter (1998): Grundriss der deutschen Grammatik. Stuttgart: J.B. Metzler.
Hall, T. Alan (2011): Phonologie: Eine Einführung. 2., überarb. Aufl. Berlin: De Gruyter.
Erscheinungsjahr
2020
Konferenz
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft, AG 'Orthographie und Mehrsprachigkeit'
Konferenzort
Hamburg
Konferenzdatum
2020-03-04 – 2020-03-06
Page URI
https://pub.uni-bielefeld.de/record/2959695
Zitieren
Walkenhorst A. Der Erwerb der graphischen Kennzeichnung der Vokallaute bei mehrsprachigen Kindern: Verschriftungsstrategien statt phonologischer Interferenz. Presented at the Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft, AG 'Orthographie und Mehrsprachigkeit', Hamburg.
Walkenhorst, A. (2020). Der Erwerb der graphischen Kennzeichnung der Vokallaute bei mehrsprachigen Kindern: Verschriftungsstrategien statt phonologischer Interferenz. Presented at the Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft, AG 'Orthographie und Mehrsprachigkeit', Hamburg.
Walkenhorst, Amrei. 2020. “Der Erwerb der graphischen Kennzeichnung der Vokallaute bei mehrsprachigen Kindern: Verschriftungsstrategien statt phonologischer Interferenz”. Presented at the Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft, AG 'Orthographie und Mehrsprachigkeit', Hamburg .
Walkenhorst, A. (2020).“Der Erwerb der graphischen Kennzeichnung der Vokallaute bei mehrsprachigen Kindern: Verschriftungsstrategien statt phonologischer Interferenz”. Presented at the Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft, AG 'Orthographie und Mehrsprachigkeit', Hamburg.
Walkenhorst, A., 2020. Der Erwerb der graphischen Kennzeichnung der Vokallaute bei mehrsprachigen Kindern: Verschriftungsstrategien statt phonologischer Interferenz. Presented at the Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft, AG 'Orthographie und Mehrsprachigkeit', Hamburg.
A. Walkenhorst, “Der Erwerb der graphischen Kennzeichnung der Vokallaute bei mehrsprachigen Kindern: Verschriftungsstrategien statt phonologischer Interferenz”, Presented at the Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft, AG 'Orthographie und Mehrsprachigkeit', Hamburg, 2020.
Walkenhorst, A.: Der Erwerb der graphischen Kennzeichnung der Vokallaute bei mehrsprachigen Kindern: Verschriftungsstrategien statt phonologischer Interferenz. Presented at the Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft, AG 'Orthographie und Mehrsprachigkeit', Hamburg (2020).
Walkenhorst, Amrei. “Der Erwerb der graphischen Kennzeichnung der Vokallaute bei mehrsprachigen Kindern: Verschriftungsstrategien statt phonologischer Interferenz”. Presented at the Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft, AG 'Orthographie und Mehrsprachigkeit', Hamburg, 2020.