Sprache, Körper, Intermediäre Objekte : zur Multimodalität der Interaktion im bilingualen Geschichtsunterricht

Pitsch K (2006)
Bielefeld (Germany): Bielefeld University.

Bielefelder E-Dissertation | Deutsch
 
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OA
Gutachter*in / Betreuer*in
Dausendschön-Gay, Ulrich
Alternativer Titel
Language, body, intermediary objects : multimodal interaction in immersive history classes
Abstract / Bemerkung
Die Arbeit bietet eine neue, grundlegend multimodale Perspektive auf Face-to-Face-Interaktion am Beispiel des Untersuchungsgegenstands "Unterrichtskommunikation". Ausgehend von Daten (Videoaufnahmen, Tafelinskriptionen, Schülerheften) aus immersivem Geschichtsunterricht in Deutschland und Argentinien (Unterrichtssprache Französisch bzw. Deutsch) werden mit der Methode der ethnomethodologischen Konversationsanalyse (KA) drei - bislang in der umfangreichen Forschung zur Unterrichtskommunikation unberücksichtigte - Themenbereiche herausgearbeitet und sequenzanalytisch untersucht: (1) Multimodale Verfahren (u.a. Konzept-Gesten) der Bearbeitung von lokal auftretenden sprachlichen Problemen; (2) die interaktive Emergenz von Tafelaufzeichnungen und ihre Rolle als Ressource für das Herstellen von interaktiven Anschlussmöglichkeiten; (3) die interaktive Koordinierung des "offiziellen" Unterrichtsdiskurses mit den "privaten" Mitschreibaktivitäten der Schüler und unter welchen Bedingungen dieses zu fehlerhaften Schüler-Mitschriften führen kann. Über die Rekonstruktion dieser konkreten Teilnehmer-Methoden und ihrer interaktiven "Risiken und Nebenwirkungen" hinaus, bietet die Arbeit neue konzeptuelle und methodologische Implikationen für eine multimodal orientierte Gesprächsforschung: (1) Das Phänomen der "Gleichzeitigkeit von Aktivitäten" wurde in der KA bislang als Simultaneität verbaler Gesprächsbeiträge - d.h. als zu minimisierender "overlap" (Schegloff 2000; 2001) - diskutiert. Demgegenüber wird ein neues Konzept von "Parallel-Aktivitäten" vorgeschlagen, das die Spannbreite des multimodal konzipierten Phänomenbereichs umreißt und innerhalb dessen sich das traditionelle Konzept des "overlap" als ein Sonderfall erweist. - (2) Es wird gezeigt, dass die zentrale methodische Ressource der "Rekonstruktion der Teilnehmer-Interpretation" von interaktiven Ereignissen in Form des verbalen "next turn" teilweise einen Artefakt der Limitierung durch Audio-Aufnahmen darstellt. Vielmehr lässt sich anhand von Video-Daten eine permanente "on line"-Interpretation der Partizipienten beobachten, so dass der traditionelle "next turn" als Komponente eines "on-line"-Turn zu konzeptualisieren ist. Dieses führt zu einem vielschichtigeren und dynamischeren Konzept von Teilnehmer-Interpretationen und hat Konsequenzen für die methodologische Orientierung der Konversationsanalyse. - (3) Um die funktionale Rolle und gesprächsstrukturellen Implikationen materieller Strukturen und Objekte (wie z.B. Tafelinskriptionen, Mitschriften etc.) analytisch adäquat berücksichtigen zu können, wird das in der Actor-Network-Theory entwickelte Konzept der "Intermediären Objekte" (Jeantet 1998; Vinck 1999) für Face-to-Face-Interaktion fruchtbar gemacht. Es wird gezeigt, dass materielle Strukturen durch die Behandlung in der Interaktion "Leerstellen" enthalten, dadurch für Interaktionsteilnehmer nächste Handlungen relevant setzen und so lokal handlungsfordernd werden. In diesem Sinne fungieren sie als "Ko-Akteure" in interaktiven Arbeitsprozessen. Dieser Befund ruft dazu auf, die gesprächsanalytische und konversationsanalytische Perspektive auf die Rolle von Objekten und andern materiellen Strukturen als Teil interaktiver Prozesse neu zu überdenken.

The present work offers a new, genuine multimodal perspective on face-to-face interaction using as exemplary object of investigation "classroom interaction". Based on data (video, blackboard inscriptions, students' notebooks) gathered in immersive history classes from Germany and Argentina (languages French resp. German), three - so far unexplored - topic areas are identified and investigated with the methods of ethnomethodological Conversation Analysis (CA): (1) Multimodal procedures (e.g. conceptual gestures) of dealing with locally occurring language problems; (2) the interactional emergence of blackboard inscriptions and their role as resources for offering opportunities for next actions; (3) the interactional coordination of the "official" classroom discourse and the students' "private" note-taking activities and under which conditions this may result in errors in the students' note-taking. Based on reconstructing these detailed practices and patterns and their interactional "risks and side effects", the present work offers a set of new conceptual and methodological implications for a multimodally oriented Conversation Analytic approach: (1) The phenomenon of "simultaneous activities" has been discussed within CA as simultaneity of verbal utterances, i.e. as "overlap" that requires minimization (Schegloff 2000; 2001). In contrast, we suggest a new concept of "parallel activities" which sketches the spectrum of multimodal simultaneity and within which "overlap" constitutes one particular case. - (2) The study shows that the central methodological resource of "reconstructing the member's perspective" on some interactional event as a verbal "next turn" is partly an artefact caused by the limitations of the traditionally available audio data. In fact, video recordings reveal that participants perform a permanent "on line"-interpretation of occurring events. This entails that the traditional "next turn" should better be conceptualized as one component of the concept of a more encompassing "on line" interpretation. - (3) In order to be able to analytically account for the functional role and discourse structural implications of material structures and objects (such as blackboard inscriptions, notes etc.), we have adapted the concept of "Intermediary Objects" (Jeantet 1998; Vinck 1999) - originally developed within Actor-Network-Theory - for analysis of face-to-face interaction. Based on this, the study reveals that - through being interactionally dealt with - material structures are attributed "empty slots", and by virtue of this make relevant for the participants a set of next actions. In this sense, they assume the role of "co-actors" in collaborative work processes. This result calls for reconsidering the role of objects and other artefacts as integral part of interactional processes.
Stichworte
Skizze; Multimodalität; Mitschrift; Gestik; Conversation analysis; Multimodal interaction; Intermediary objects; Face-to-face interaction; Tafelbild; Konversationsanalyse; Intermediäre Objekte; Face-to-Face-Interaktion; Kommunikationsanalyse; Interpersonale Kommunikation; Immersion (Fremdsprachenlernen); Geschichtsunterricht; Zweisprachiger Unterricht; Note-taking; Gesture; Sketches
Jahr
2006
Page URI
https://pub.uni-bielefeld.de/record/2304749

Zitieren

Pitsch K. Sprache, Körper, Intermediäre Objekte : zur Multimodalität der Interaktion im bilingualen Geschichtsunterricht. Bielefeld (Germany): Bielefeld University; 2006.
Pitsch, K. (2006). Sprache, Körper, Intermediäre Objekte : zur Multimodalität der Interaktion im bilingualen Geschichtsunterricht. Bielefeld (Germany): Bielefeld University.
Pitsch, Karola. 2006. Sprache, Körper, Intermediäre Objekte : zur Multimodalität der Interaktion im bilingualen Geschichtsunterricht. Bielefeld (Germany): Bielefeld University.
Pitsch, K. (2006). Sprache, Körper, Intermediäre Objekte : zur Multimodalität der Interaktion im bilingualen Geschichtsunterricht. Bielefeld (Germany): Bielefeld University.
Pitsch, K., 2006. Sprache, Körper, Intermediäre Objekte : zur Multimodalität der Interaktion im bilingualen Geschichtsunterricht, Bielefeld (Germany): Bielefeld University.
K. Pitsch, Sprache, Körper, Intermediäre Objekte : zur Multimodalität der Interaktion im bilingualen Geschichtsunterricht, Bielefeld (Germany): Bielefeld University, 2006.
Pitsch, K.: Sprache, Körper, Intermediäre Objekte : zur Multimodalität der Interaktion im bilingualen Geschichtsunterricht. Bielefeld University, Bielefeld (Germany) (2006).
Pitsch, Karola. Sprache, Körper, Intermediäre Objekte : zur Multimodalität der Interaktion im bilingualen Geschichtsunterricht. Bielefeld (Germany): Bielefeld University, 2006.
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