Bedingungen des Überlebens: Kriegsversehrung im Zeitalter der Extreme
Dinçkal N, Nikolow S (2023)
Neue Politische Literatur 68(3): 252-280.
Kriegsversehrungen waren kein gesellschaftliches Randphänomen, sondern bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts ein prägendes Merkmal europäischer Kriegsfolgengesellschaften. Nicht zuletzt aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 erfährt die Frage nach den Bedingungen des Überlebens infolge kriegerischer Auseinandersetzungen derzeit wieder mehr öffentliche Aufmerksamkeit. In diesem Aufsatz werden Sammelbände und Monografien diskutiert, die in den letzten 15 Jahren erschienen sind und sich dauerhaft geschädigten Invaliden im 20. Jahrhundert widmen. Im Zentrum stehen Studien, die die Weltkriege und Nachkriegsgesellschaften in Deutschland, Österreich, Italien, den USA und Großbritannien zum Untersuchungsgegenstand haben, aber auch übergreifende Publikationen zur Veteranengeschichte, die weitere Länder und Kriege einbeziehen. Dabei nehmen wir vier Themenkomplexe in den Blick: Erstens geht es um die sozialpolitischen Dimensionen des Themas und die Bedeutung der Kriegsversehrten für die Herausbildung des modernen Sozialstaates. In einem zweiten Schritt rücken wir die immense symbolpolitische und erinnerungskulturelle Bedeutung in den Vordergrund, in einem dritten die mit medizinischen und technischen Interventionen verbundenen nationalen Rehabilitationsregime. Abschließend erörtern wir körper- und geschlechtergeschichtliche Perspektiven auf die Kriegsgeschädigtenproblematik.
**Abstract**
This article discusses recent publications on war injuries, with a non-exclusive focus on studies examining the World Wars and post-war societies in Germany, Austria, Italy, the USA and Great Britain. We focus on four main themes: First, the socio-political dimensions and significance of war injuries for the development of the modern welfare state. Secondly, the symbolic political and cultural significance of remembrance; thirdly, the national rehabilitation regimes associated with medical and technical interventions; and finally, approaches to the history of the body and gender.