PUB - Publikationen an der Universität Bielefeld

Im Vorfeld des G20-Gipfels in Hamburg gehen die Erwartungen an das Protestgeschehen auseinander. Während einige erwarten, der Gipfel werde sich zu einer Art »Hafengeburtstag« entwickeln, bei dem der Protest nicht über folkloristisches Begleitprogramm hinauskommt, rechnen andere mit einem deutlich konfrontativeren Geschehen. Tatsächlich stehen spätestens seit dem Konflikt um die beiden Protestcamps zu Beginn der Gipfelwoche die Zeichen vielerorts auf Sturm. Die Erwartung gewaltsamer Eskalation führt jedoch selbstverständlich nicht zwangsläufig dazu, dass diese auch eintritt. Auch wenn der Ablauf der Ereignisse rückblickend möglich oder gar wahrscheinlich scheinen mag, manche*r im Nachhinein vielleicht dachte, sie oder er »habe es doch gewusst« – die konkreten Eskalationen zwischen Einsatzkräften und Protestteilnehmenden – sowie weiteren Beteiligten jenseits des Feldes politischer Aktivist*innen im engeren Sinne – bleiben in mindestens zweifacher Hinsicht erklärungsbedürftig. Das ist zum einen situativ der Fall: Warum gewinnen die Begegnungen ihre spezifische Gestalt? Warum entwickeln sie sich in dem betreffenden Moment konfrontativ? Jede Begegnung hat ihre eigene situative Dynamik. Es hängt maßgeblich von der spezifischen Konstellation der Beteiligten (unter anderem ihren Kräfteverhältnissen), von räumlichen Gegebenheiten sowie von der Emotionalität und dem zeitlichen Ablauf konkreter Interaktionen ab, ob und in welchem Ausmaß Gewalt angewendet wird. Zum anderen ist erklärungsbedürftig, wie sich die einzelnen Konfrontationen auf Folgeereignisse und den weiteren Verlauf der Proteste auswirken. Akteurskonstellationen ändern sich im Verlauf der Proteste, die Beteiligten treffen sich an neuen Orten, in veränderten emotionalen Zuständen, mit anderen Kraftreserven, mit anderen Erfahrungen, Ideen und Erwartungen. Der Schwerpunkt dieses Beitrags liegt auf Situationsanalysen, wenngleich ebenfalls Überlegungen dazu angestellt werden, wie einzelne Ereignisse miteinander verknüpft sind. Konkret stehen drei prominente, insbesondere auch in der lokalen und überregionalen Öffentlichkeit viel beachtete Konfrontationsgeschehen im Fokus: (1) die »Welcome to Hell«-Demonstration am Donnerstag (6. Juli 2017), (2) die »Blockadefinger« am Freitagmorgen (7. Juli 2017) und (3) die Geschehnisse am Freitagabend im Schanzenviertel.