Das „Collaborative Assessment and Management of Suicidality“ (CAMS) – Eine therapeutische Intervention für Patienten in suizidalen Krisen im Rahmen einer stationären Krisenintervention
Santel M (2023)
Bielefeld: Universität Bielefeld.
Bielefelder E-Dissertation | Deutsch
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Autor*in
Santel, Miriam
Gutachter*in / Betreuer*in
Abstract / Bemerkung
Weltweit sterben jährlich ungefähr 700.000 Menschen durch Suizid (WHO, 2021). In Deutschland nehmen sich jährlich ca. 9.000 Mensch das Leben (Statistisches Bundesamt, 2023). Die Zahl der Suizidversuche ist 10 bis 20 Mal höher als die Zahl der vollendeten Suizide und noch sehr viel mehr Menschen leiden unter Suizidgedanken (WHO, 2014).
Suizidalität ist ein komplexes Phänomen und entsteht aus einem Zusammenwirken von biologischen, psychologischen, sozialen, umweltbedingten und kulturellen Faktoren.
Das Wissen über suizidales Verhalten und Maßnahmen zur Suizidprävention hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen und es gibt gute Möglichkeiten für eine gezielte Reduktion von Suiziden. Obwohl der therapeutischen Behandlung von Menschen nach einem Suizidversuch oder mit akuten Suizidgedanken hierbei eine wesentliche Bedeutung zukommt, mangelt es an nachweislich wirksamen Interventionen für die Behandlung suizidaler Patienten. Insbesondere für das stationäre Behandlungssetting besteht eine relevante Forschungslücke (DeCou et al., 2019; Nordentoft & Mortensen, 2007). Gleichzeitig stellt die Einweisung von Patienten mit einem hohen Suizidrisiko in eine psychiatrische Klinik das übliche Behandlungsvorgehen dar.
Vor dem Hintergrund der Akuität einer Suizidgefährdung, wie sie insbesondere im Rahmen einer stationären Behandlung häufig gegeben ist, werden kurzfristig wirksame therapeutische Interventionen benötigt. In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass es nicht ausreichend ist, Suizidalität als Symptom der psychiatrischen Grunderkrankung „mitzubehandeln“, so wie es das herkömmliche traditionell medizinische Vorgehen ist. Hingegen wird zunehmend dafür plädiert, Suizidalität transdiagnostisch als eigenständiges Syndrom zu behandeln.
Eine therapeutische Intervention für die Behandlung von suizidalen Patienten, die von dem amerikanischen Psychologieprofessor David A. Jobes im Laufe der letzten 30 Jahre entwickelt und in der vorliegenden Dissertation untersucht wurde, ist das Collaborative Assessment and Management of Suicidality (CAMS). CAMS kann als ein „therapeutisches Rahmenprogramm“ verstanden werden und soll Patienten in die Lage versetzen, sich konstruktiv mit der eigenen Suizidalität auseinanderzusetzen. Hierbei werden die Patienten als Experten ihrer Geschichte und Suizidalität angesehen und zu "Co-Autoren" ihres eigenen Behandlungsplans. Neben einer auf Augenhöhe und Partnerschaftlichkeit fokussierten therapeutischen Beziehung dient die sogenannte Suizidstatusform (SSF) dazu, das therapeutische Vorgehen zu strukturieren und beinhaltet wichtige Therapieelemente wie einen Notfallplan für Krisensituationen.
Verglichen mit anderen Ansätzen zur Behandlung von suizidalen Patienten war die Befundlage zur Wirksamkeit von CAMS zu Beginn dieses Forschungsvorhabens insgesamt ermutigend, aber noch gering. So gab es weder Studien zu CAMS in Deutschland noch Publikationen zur Effektivität von CAMS in einem akutpsychiatrischen Krisensetting. Diese Forschungslücke wurde durch die vorliegende Dissertation adressiert. Ziel war es, über die in Deutschland noch wenig bekannte Intervention zu informieren und mit einer randomisiert kontrollierten Therapiestudie zu überprüfen, ob CAMS gegenüber einer verbesserten Standardbehandlung im Rahmen einer stationären Krisenintervention einen zusätzlichen Nutzen haben kann und zu einer stärkeren Reduktion von Suizidgedanken und Suizidversuchen führt. Bei den zusammengestellten Manuskripten handelt es sich um einen deutschsprachigen Übersichtsartikel (Schrift 1) sowie um ein Studienprotokoll (Schrift 2) und eine empirische Originalarbeit (Schrift 3), die beide im Rahmen einer klinischen Behandlungsstudie entstanden sind. Ergänzend wurde das CAMS-Therapiemanual inklusive der dazugehörigen Materialien ins Deutsche übersetzt (Jobes, 2021), wodurch die Möglichkeiten für deutsche Kliniker zur Anwendung von CAMS erweitert wurden.
Der Übersichtsartikel (Schrift 1) diente dazu, sowohl die Philosophie, das therapeutische Vorgehen und den aktuellen Forschungsstand zur Wirksamkeit des CAMS darzustellen als auch Unterschiede zu alternativen Kurzinterventionen für suizidale Patienten aufzuzeigen. Es zeigte sich, dass die Wirksamkeit von CAMS im Hinblick auf eine Reduzierung von Suizidgedanken und der allgemeinen Symptombelastung und Depressivität sowie eine Zunahme von Hoffnung und Zuversicht mittlerweile empirisch gut belegt ist. Jedoch fehlen, im Vergleich zu anderen suizidfokussierten Interventionen, noch sichere empirische Befunde, die eine Effektivität des CAMS im Hinblick auf die Verringerung von suizidalem Verhalten nachweisen. Je nach Behandlungskontext und den Kompetenzen bzw. Vorerfahrungen des Therapeuten, empfiehlt es sich beim derzeitigen Stand der Forschung abzuwägen, inwieweit CAMS oder ein anderer Behandlungsansatz angewendet werden sollte. Dies könnten zum Beispiel das Attempted Suicide Short Intervention Program (ASSIP, Gysin-Maillart & Michel, 2013), die kurze kognitive Verhaltenstherapie zur Suizidprävention (BCBT, Bryan & Rudd, 2018) oder das Safety Planning von Stanley und Brown (2012) sein. Ein Vorteil von CAMS ist, dass es einen therapeutischen Rahmen bietet, gleichzeitig eine hohe Flexibilität zulässt und relativ leicht zu erlernen und anzuwenden ist.
In Schrift 2 wurde ein Studienprotokoll für die nachfolgend durchgeführte randomisiert kontrollierte Studie unter Abwägung ethischer Gesichtspunkte erarbeitet, mit dem die Durchführbarkeit von CAMS im stationären Kriseninterventionssetting erprobt werden konnte. Der Mangel an Studien für die Behandlung von suizidalen Patienten ist unter anderem begründet durch die hohen Anforderungen und Schwierigkeiten, die die Behandlung und Forschung mit suizidalen Patienten mit sich bringen. Hierzu gehören zum Beispiel die Brisanz der Suizidgefahr sowie die potenziell tödlichen Folgen unwirksamer Interventionen und teilweise geringe Behandlungsmotivation der Patienten, die sich in Ausnahmesituationen befinden und deren Interesse an einer Studienteilnahme oftmals nachvollziehbar gering ist. Da die Durchführung einer randomisiert kontrollierten Studie zur Behandlung von suizidalen Patienten in einem stationären Kriseninterventionssetting somit eine besonders gründlichen Planung erforderte, wurden die wichtigsten Merkmale des Forschungsvorhabens in einem Studienprotokoll beschrieben und festgelegt.
In Schrift 3 wurden die Ergebnisse der randomisiert kontrollierten Studie publiziert. Die Studie untersuchte auf einer Kriseninterventionsstation der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Evangelischen Klinikums Bethel die Durchführbarkeit und Wirksamkeit einer Behandlung mit dem CAMS verglichen mit einer verbesserten Standardbehandlung (E-TAU) für suizidale Patienten im Hinblick auf die Verringerung von Suizidgedanken und Suizidversuchen sowie auf die allgemeine Symptombelastung, Depressivität, Gründe für das Leben und die therapeutische Beziehung. Unabhängig von ihren spezifischen psychischen Erkrankungen wurden 88 Patienten eingeschlossen, die wegen akuter Suizidgedanken oder nach Suizidversuchen zur Krisenintervention aufgenommen wurden. Die Behandlungsdauer betrug zwischen 10 und 40 Tagen. In diesem Zeitraum fanden zwischen vier und neun therapeutische Sitzungen mit CAMS oder E-TAU statt. Zu vier Zeitpunkten (bei Aufnahme, bei Entlassung sowie einen Monat und fünf Monate nach der Entlassung) wurden die Patienten mit Hilfe von Fragebögen zur Erfassung der Zielvariablen untersucht. Im Ergebnis zeigte sich, dass CAMS im Rahmen der stationären Kriseninterventionsbehandlung gut durchführbar war und von den Patienten gut angenommen wurde. Sowohl in der Behandlung mit CAMS als auch mit E-TAU kam es zu einem deutlichen Rückgang der Suizidgedanken. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen, jedoch deuteten die deskriptiven Analysen auf eine stärkere Reduktion der Suizidgedanken in der CAMS-Gruppe hin. Zudem zeigte eine höhere Anzahl an Patienten nach einer CAMS Behandlung eine klinisch relevante Verbesserung ihrer Suizidgedanken als nach einer E-TAU Behandlung. Dieses Ergebnis spricht grundsätzlich für die Wirksamkeit therapeutischer Interventionen im Rahmen einer stationären Krisenintervention und deutet auf einen zusätzlichen Nutzen von CAMS hin. Darüber hinaus kam es nach der Entlassung bei Patienten der CAMS-Gruppe zu signifikant weniger Suizidversuchen als bei Patienten, die zuvor die Standardbehandlung erhalten haben. Dieses Ergebnis könnte darauf hindeuten, dass CAMS in der kritischen Zeit nach der Entlassung aus einer stationären Behandlung, die sich wiederholt als Hochrisikoperiode für suizidales Verhalten erwiesen hat (Chung et al., 2017; Chung et al., 2019; Forte et al., 2019), einen besseren Schutz vor suizidalem Verhalten bietet. Im Hinblick auf die Anzahl von Gründen für das Leben konnten die Patienten durch eine Be-handlung mit CAMS signifikant mehr Hoffnung und Zuversicht gewinnen als bei einer Standardbehandlung. Patienten, die mit CAMS behandelt wurden, berichteten darüber hinaus über eine signifikant bessere therapeutische Beziehung im Vergleich zu den Patienten der E-TAU-Gruppe. Insgesamt scheint CAMS folglich Vorteile gegenüber der Standardbehandlung zu haben, was unter anderem in der besonderen Förderung einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung zu begründet sein könnte.
Zusammenfassend ist CAMS als evidenzbasierter, relativ leicht zu erlernender und kosteneffektiver suizidfokussierter Behandlungsansatz anzusehen, der in der stationären Akutversorgung sowohl durchführbar als auch vielversprechend im Hinblick auf die Behandlung von Suizidalität zu sein scheint. Es ist davon auszugehen, dass die gewonnenen Erkenntnisse dieser Forschungsstudie auch auf andere stationäre Kriseninterventionssettings in der psychiatrischen Regelversorgung übertragen werden können. Somit sollte CAMS für eine breitere Anwendung im Rahmen der stationären psychiatrischen Akutversorgung in Betracht gezogen werden.
Suizidalität ist ein komplexes Phänomen und entsteht aus einem Zusammenwirken von biologischen, psychologischen, sozialen, umweltbedingten und kulturellen Faktoren.
Das Wissen über suizidales Verhalten und Maßnahmen zur Suizidprävention hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen und es gibt gute Möglichkeiten für eine gezielte Reduktion von Suiziden. Obwohl der therapeutischen Behandlung von Menschen nach einem Suizidversuch oder mit akuten Suizidgedanken hierbei eine wesentliche Bedeutung zukommt, mangelt es an nachweislich wirksamen Interventionen für die Behandlung suizidaler Patienten. Insbesondere für das stationäre Behandlungssetting besteht eine relevante Forschungslücke (DeCou et al., 2019; Nordentoft & Mortensen, 2007). Gleichzeitig stellt die Einweisung von Patienten mit einem hohen Suizidrisiko in eine psychiatrische Klinik das übliche Behandlungsvorgehen dar.
Vor dem Hintergrund der Akuität einer Suizidgefährdung, wie sie insbesondere im Rahmen einer stationären Behandlung häufig gegeben ist, werden kurzfristig wirksame therapeutische Interventionen benötigt. In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass es nicht ausreichend ist, Suizidalität als Symptom der psychiatrischen Grunderkrankung „mitzubehandeln“, so wie es das herkömmliche traditionell medizinische Vorgehen ist. Hingegen wird zunehmend dafür plädiert, Suizidalität transdiagnostisch als eigenständiges Syndrom zu behandeln.
Eine therapeutische Intervention für die Behandlung von suizidalen Patienten, die von dem amerikanischen Psychologieprofessor David A. Jobes im Laufe der letzten 30 Jahre entwickelt und in der vorliegenden Dissertation untersucht wurde, ist das Collaborative Assessment and Management of Suicidality (CAMS). CAMS kann als ein „therapeutisches Rahmenprogramm“ verstanden werden und soll Patienten in die Lage versetzen, sich konstruktiv mit der eigenen Suizidalität auseinanderzusetzen. Hierbei werden die Patienten als Experten ihrer Geschichte und Suizidalität angesehen und zu "Co-Autoren" ihres eigenen Behandlungsplans. Neben einer auf Augenhöhe und Partnerschaftlichkeit fokussierten therapeutischen Beziehung dient die sogenannte Suizidstatusform (SSF) dazu, das therapeutische Vorgehen zu strukturieren und beinhaltet wichtige Therapieelemente wie einen Notfallplan für Krisensituationen.
Verglichen mit anderen Ansätzen zur Behandlung von suizidalen Patienten war die Befundlage zur Wirksamkeit von CAMS zu Beginn dieses Forschungsvorhabens insgesamt ermutigend, aber noch gering. So gab es weder Studien zu CAMS in Deutschland noch Publikationen zur Effektivität von CAMS in einem akutpsychiatrischen Krisensetting. Diese Forschungslücke wurde durch die vorliegende Dissertation adressiert. Ziel war es, über die in Deutschland noch wenig bekannte Intervention zu informieren und mit einer randomisiert kontrollierten Therapiestudie zu überprüfen, ob CAMS gegenüber einer verbesserten Standardbehandlung im Rahmen einer stationären Krisenintervention einen zusätzlichen Nutzen haben kann und zu einer stärkeren Reduktion von Suizidgedanken und Suizidversuchen führt. Bei den zusammengestellten Manuskripten handelt es sich um einen deutschsprachigen Übersichtsartikel (Schrift 1) sowie um ein Studienprotokoll (Schrift 2) und eine empirische Originalarbeit (Schrift 3), die beide im Rahmen einer klinischen Behandlungsstudie entstanden sind. Ergänzend wurde das CAMS-Therapiemanual inklusive der dazugehörigen Materialien ins Deutsche übersetzt (Jobes, 2021), wodurch die Möglichkeiten für deutsche Kliniker zur Anwendung von CAMS erweitert wurden.
Der Übersichtsartikel (Schrift 1) diente dazu, sowohl die Philosophie, das therapeutische Vorgehen und den aktuellen Forschungsstand zur Wirksamkeit des CAMS darzustellen als auch Unterschiede zu alternativen Kurzinterventionen für suizidale Patienten aufzuzeigen. Es zeigte sich, dass die Wirksamkeit von CAMS im Hinblick auf eine Reduzierung von Suizidgedanken und der allgemeinen Symptombelastung und Depressivität sowie eine Zunahme von Hoffnung und Zuversicht mittlerweile empirisch gut belegt ist. Jedoch fehlen, im Vergleich zu anderen suizidfokussierten Interventionen, noch sichere empirische Befunde, die eine Effektivität des CAMS im Hinblick auf die Verringerung von suizidalem Verhalten nachweisen. Je nach Behandlungskontext und den Kompetenzen bzw. Vorerfahrungen des Therapeuten, empfiehlt es sich beim derzeitigen Stand der Forschung abzuwägen, inwieweit CAMS oder ein anderer Behandlungsansatz angewendet werden sollte. Dies könnten zum Beispiel das Attempted Suicide Short Intervention Program (ASSIP, Gysin-Maillart & Michel, 2013), die kurze kognitive Verhaltenstherapie zur Suizidprävention (BCBT, Bryan & Rudd, 2018) oder das Safety Planning von Stanley und Brown (2012) sein. Ein Vorteil von CAMS ist, dass es einen therapeutischen Rahmen bietet, gleichzeitig eine hohe Flexibilität zulässt und relativ leicht zu erlernen und anzuwenden ist.
In Schrift 2 wurde ein Studienprotokoll für die nachfolgend durchgeführte randomisiert kontrollierte Studie unter Abwägung ethischer Gesichtspunkte erarbeitet, mit dem die Durchführbarkeit von CAMS im stationären Kriseninterventionssetting erprobt werden konnte. Der Mangel an Studien für die Behandlung von suizidalen Patienten ist unter anderem begründet durch die hohen Anforderungen und Schwierigkeiten, die die Behandlung und Forschung mit suizidalen Patienten mit sich bringen. Hierzu gehören zum Beispiel die Brisanz der Suizidgefahr sowie die potenziell tödlichen Folgen unwirksamer Interventionen und teilweise geringe Behandlungsmotivation der Patienten, die sich in Ausnahmesituationen befinden und deren Interesse an einer Studienteilnahme oftmals nachvollziehbar gering ist. Da die Durchführung einer randomisiert kontrollierten Studie zur Behandlung von suizidalen Patienten in einem stationären Kriseninterventionssetting somit eine besonders gründlichen Planung erforderte, wurden die wichtigsten Merkmale des Forschungsvorhabens in einem Studienprotokoll beschrieben und festgelegt.
In Schrift 3 wurden die Ergebnisse der randomisiert kontrollierten Studie publiziert. Die Studie untersuchte auf einer Kriseninterventionsstation der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Evangelischen Klinikums Bethel die Durchführbarkeit und Wirksamkeit einer Behandlung mit dem CAMS verglichen mit einer verbesserten Standardbehandlung (E-TAU) für suizidale Patienten im Hinblick auf die Verringerung von Suizidgedanken und Suizidversuchen sowie auf die allgemeine Symptombelastung, Depressivität, Gründe für das Leben und die therapeutische Beziehung. Unabhängig von ihren spezifischen psychischen Erkrankungen wurden 88 Patienten eingeschlossen, die wegen akuter Suizidgedanken oder nach Suizidversuchen zur Krisenintervention aufgenommen wurden. Die Behandlungsdauer betrug zwischen 10 und 40 Tagen. In diesem Zeitraum fanden zwischen vier und neun therapeutische Sitzungen mit CAMS oder E-TAU statt. Zu vier Zeitpunkten (bei Aufnahme, bei Entlassung sowie einen Monat und fünf Monate nach der Entlassung) wurden die Patienten mit Hilfe von Fragebögen zur Erfassung der Zielvariablen untersucht. Im Ergebnis zeigte sich, dass CAMS im Rahmen der stationären Kriseninterventionsbehandlung gut durchführbar war und von den Patienten gut angenommen wurde. Sowohl in der Behandlung mit CAMS als auch mit E-TAU kam es zu einem deutlichen Rückgang der Suizidgedanken. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen, jedoch deuteten die deskriptiven Analysen auf eine stärkere Reduktion der Suizidgedanken in der CAMS-Gruppe hin. Zudem zeigte eine höhere Anzahl an Patienten nach einer CAMS Behandlung eine klinisch relevante Verbesserung ihrer Suizidgedanken als nach einer E-TAU Behandlung. Dieses Ergebnis spricht grundsätzlich für die Wirksamkeit therapeutischer Interventionen im Rahmen einer stationären Krisenintervention und deutet auf einen zusätzlichen Nutzen von CAMS hin. Darüber hinaus kam es nach der Entlassung bei Patienten der CAMS-Gruppe zu signifikant weniger Suizidversuchen als bei Patienten, die zuvor die Standardbehandlung erhalten haben. Dieses Ergebnis könnte darauf hindeuten, dass CAMS in der kritischen Zeit nach der Entlassung aus einer stationären Behandlung, die sich wiederholt als Hochrisikoperiode für suizidales Verhalten erwiesen hat (Chung et al., 2017; Chung et al., 2019; Forte et al., 2019), einen besseren Schutz vor suizidalem Verhalten bietet. Im Hinblick auf die Anzahl von Gründen für das Leben konnten die Patienten durch eine Be-handlung mit CAMS signifikant mehr Hoffnung und Zuversicht gewinnen als bei einer Standardbehandlung. Patienten, die mit CAMS behandelt wurden, berichteten darüber hinaus über eine signifikant bessere therapeutische Beziehung im Vergleich zu den Patienten der E-TAU-Gruppe. Insgesamt scheint CAMS folglich Vorteile gegenüber der Standardbehandlung zu haben, was unter anderem in der besonderen Förderung einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung zu begründet sein könnte.
Zusammenfassend ist CAMS als evidenzbasierter, relativ leicht zu erlernender und kosteneffektiver suizidfokussierter Behandlungsansatz anzusehen, der in der stationären Akutversorgung sowohl durchführbar als auch vielversprechend im Hinblick auf die Behandlung von Suizidalität zu sein scheint. Es ist davon auszugehen, dass die gewonnenen Erkenntnisse dieser Forschungsstudie auch auf andere stationäre Kriseninterventionssettings in der psychiatrischen Regelversorgung übertragen werden können. Somit sollte CAMS für eine breitere Anwendung im Rahmen der stationären psychiatrischen Akutversorgung in Betracht gezogen werden.
Jahr
2023
Seite(n)
129
Urheberrecht / Lizenzen
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https://pub.uni-bielefeld.de/record/2983116
Zitieren
Santel M. Das „Collaborative Assessment and Management of Suicidality“ (CAMS) – Eine therapeutische Intervention für Patienten in suizidalen Krisen im Rahmen einer stationären Krisenintervention. Bielefeld: Universität Bielefeld; 2023.
Santel, M. (2023). Das „Collaborative Assessment and Management of Suicidality“ (CAMS) – Eine therapeutische Intervention für Patienten in suizidalen Krisen im Rahmen einer stationären Krisenintervention. Bielefeld: Universität Bielefeld. https://doi.org/10.4119/unibi/2983116
Santel, Miriam. 2023. Das „Collaborative Assessment and Management of Suicidality“ (CAMS) – Eine therapeutische Intervention für Patienten in suizidalen Krisen im Rahmen einer stationären Krisenintervention. Bielefeld: Universität Bielefeld.
Santel, M. (2023). Das „Collaborative Assessment and Management of Suicidality“ (CAMS) – Eine therapeutische Intervention für Patienten in suizidalen Krisen im Rahmen einer stationären Krisenintervention. Bielefeld: Universität Bielefeld.
Santel, M., 2023. Das „Collaborative Assessment and Management of Suicidality“ (CAMS) – Eine therapeutische Intervention für Patienten in suizidalen Krisen im Rahmen einer stationären Krisenintervention, Bielefeld: Universität Bielefeld.
M. Santel, Das „Collaborative Assessment and Management of Suicidality“ (CAMS) – Eine therapeutische Intervention für Patienten in suizidalen Krisen im Rahmen einer stationären Krisenintervention, Bielefeld: Universität Bielefeld, 2023.
Santel, M.: Das „Collaborative Assessment and Management of Suicidality“ (CAMS) – Eine therapeutische Intervention für Patienten in suizidalen Krisen im Rahmen einer stationären Krisenintervention. Universität Bielefeld, Bielefeld (2023).
Santel, Miriam. Das „Collaborative Assessment and Management of Suicidality“ (CAMS) – Eine therapeutische Intervention für Patienten in suizidalen Krisen im Rahmen einer stationären Krisenintervention. Bielefeld: Universität Bielefeld, 2023.
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