PUB - Publikationen an der Universität Bielefeld

Ausgehend von der Debatte über die 1970er und 1980er Jahre als eine Art „goldenes Zeitalter des Jugendstrafrechts“ untersucht der vorliegende Artikel, auf Basis der Analyse von parlamentarischen Debatten über Jugendkrimi- nalität in Bundestag, Bundesrat und in drei Länderparlamenten, die Entwicklung des kriminalpolitischen Diskurses in der Bundesrepublik Deutschland in den Jah- ren von 1970 bis 1990. Hierbei konnte für die untersuchten Jahre in der Tat eine politische Annäherung an integrierende und rehabilitierende Reaktionsformen auf Jugendkriminalität festgestellt werden, welche sich im 1. JGGÄndG von 1990 auch in gesetzlicher Form manifestierte. Allerdings verweisen die analysierten Debatten auch auf die Heterogenität und Komplexität sowie auf die historische und sozio-kul- turelle Eingebundenheit kriminalpolitischer Diskurse, die es nahelegen, die Vorge- schichte der heutigen Jugendstrafrechtspolitik differenzierter zu bewerten. So wurde auch in den 1970er und 1980er Jahren mit dem Prinzip der Inhaftierung und des staatlichen Zugriffes auf Jugendlich nicht grundlegend gebrochen und zahlreiche Reformforderungen aus Wissenschaft und Praxis blieben ungehört. Zudem zeigten sich diskursive Muster, die in den folgenden Jahrzehnten für eine sanktionsorien- tierte Strafrechtspolitik nutzbar gemacht werden konnten.