Macht – Leistung – Kultur: Staatenvergleiche vom 17. bis ins frühe 20. Jahrhundert
Steinmetz W (2021)
Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 73(1): 75-112.
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| Veröffentlicht | Deutsch
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Power, Performance, Culture: The Comparison of States From the 17th Century to the Early 20th Century
Abstract / Bemerkung
Practices of comparing and grading states by numbers have a long history. Taking off in the early modern period, these practices were triggered by fiscal–military rivalry between major and minor powers within Europe and beyond. While military and demographic strength continued to be important yardsticks, additional criteria came to the fore in the 19th century: economic performance, social provisions for inhabitants, and cultural achievements. In a first step, the article enumerates the preconditions for today’s elaborated state ranking practices: seriality and standardization of data-collection, the existence of internationally recognized centers of calculation, relevant publics creating a demand for state comparisons, and a progressive view of history that induces state actors to imagine themselves as being “ahead” or “lagging behind.” The empirical parts of the article are devoted to the gradual unfolding of state-comparing practices within Western and Central Europe from the late 17th century to the early 20th century. Exemplary studies deal with authors and institutions that measured state powers in quantitative terms (English political arithmeticians, German tabular statisticians, national statistical bureaus, international statistical congresses). Attention is also paid to qualitative comparisons in 18th-century German Statistik and visual displays at 19th-century world fairs. The article also takes account of early 19th-century critics who, on behalf of each nation’s singularity, protested against the reduction of states (or empires) to just a handful of numerically countable categories. The story of 18th- and 19th-century state comparisons is therefore not one of a linear development towards ever more quantification, but that of a contested practice that includes progressive better–worse comparisons as well as comparisons insisting on essentialized differences.
Praktiken des Vergleichens und Bewertens von Staaten mittels Zahlen haben eine lange Geschichte. Seit der Frühen Neuzeit erlebten sie einen Aufschwung infolge fiskal-militärischer Rivalität zwischen größeren und kleineren Mächten innerhalb wie außerhalb Europas. Im Laufe des langen 19. Jahrhunderts kamen zusätzliche Kriterien ins Spiel: Neben militärischer und demografischer Stärke wurden nun ökonomische Leistungsfähigkeit, soziale Vorsorge für die Einwohner sowie kulturelle Errungenschaften wichtiger. In einem ersten Schritt benennt der Beitrag wesentliche Voraussetzungen für die heute etablierten Praktiken des Rankings von Staaten: Serialität und Standardisierung der Datenerhebung, Existenz international anerkannter centres of calculation, relevante Öffentlichkeiten als Nachfrager für Staatenvergleiche, eine Vision von Geschichte als Fortschritt, welche staatliche Akteure nötigte, sich im Verhältnis zu anderen als „vorauseilend“ oder „zurückgeblieben“ einzuordnen. Die empirischen Teile des Beitrags widmen sich der Entfaltung staatenvergleichender Praktiken in West- und Mitteleuropa vom späten 17. bis ins frühe 20. Jahrhundert. In exemplarischen Studien werden Autoren und Institutionen behandelt, die Staaten quantifizierend zu vergleichen suchten (englische politische Arithmetiker, deutsche Tabellenstatistiker, nationale statistische Bureaus, internationale statistische Kongresse). Ebenfalls berücksichtigt werden qualitative Staatenvergleiche in der deskriptiven deutschen „Statistik“ des 18. Jahrhunderts oder durch visuelle Präsentationen auf den Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts. Schließlich kommen im Beitrag auch Kritiker zu Wort, die im Namen der Singularität von Nationen, Staaten oder Imperien gegen deren Reduktion auf wenige zählbare Größen protestierten. Die Geschichte der Staatenvergleiche im 18. und 19. Jahrhundert lief also keineswegs geradlinig auf immer mehr Quantifizierung hinaus. Vielmehr war sie die Geschichte einer umstrittenen Praxis, in der „progressive“ besser-schlechter-Vergleiche stets mit solchen Vergleichen rivalisierten, die auf essenzialisierte Andersartigkeit abhoben.
Praktiken des Vergleichens und Bewertens von Staaten mittels Zahlen haben eine lange Geschichte. Seit der Frühen Neuzeit erlebten sie einen Aufschwung infolge fiskal-militärischer Rivalität zwischen größeren und kleineren Mächten innerhalb wie außerhalb Europas. Im Laufe des langen 19. Jahrhunderts kamen zusätzliche Kriterien ins Spiel: Neben militärischer und demografischer Stärke wurden nun ökonomische Leistungsfähigkeit, soziale Vorsorge für die Einwohner sowie kulturelle Errungenschaften wichtiger. In einem ersten Schritt benennt der Beitrag wesentliche Voraussetzungen für die heute etablierten Praktiken des Rankings von Staaten: Serialität und Standardisierung der Datenerhebung, Existenz international anerkannter centres of calculation, relevante Öffentlichkeiten als Nachfrager für Staatenvergleiche, eine Vision von Geschichte als Fortschritt, welche staatliche Akteure nötigte, sich im Verhältnis zu anderen als „vorauseilend“ oder „zurückgeblieben“ einzuordnen. Die empirischen Teile des Beitrags widmen sich der Entfaltung staatenvergleichender Praktiken in West- und Mitteleuropa vom späten 17. bis ins frühe 20. Jahrhundert. In exemplarischen Studien werden Autoren und Institutionen behandelt, die Staaten quantifizierend zu vergleichen suchten (englische politische Arithmetiker, deutsche Tabellenstatistiker, nationale statistische Bureaus, internationale statistische Kongresse). Ebenfalls berücksichtigt werden qualitative Staatenvergleiche in der deskriptiven deutschen „Statistik“ des 18. Jahrhunderts oder durch visuelle Präsentationen auf den Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts. Schließlich kommen im Beitrag auch Kritiker zu Wort, die im Namen der Singularität von Nationen, Staaten oder Imperien gegen deren Reduktion auf wenige zählbare Größen protestierten. Die Geschichte der Staatenvergleiche im 18. und 19. Jahrhundert lief also keineswegs geradlinig auf immer mehr Quantifizierung hinaus. Vielmehr war sie die Geschichte einer umstrittenen Praxis, in der „progressive“ besser-schlechter-Vergleiche stets mit solchen Vergleichen rivalisierten, die auf essenzialisierte Andersartigkeit abhoben.
Stichworte
Statistics;
Fiscal–military state;
Competition;
Progressive comparison;
National singularity;
Statistik;
Fiskal-militärischer Staat;
Wettbewerb;
Progressiver Vergleich;
Nationale Singularität
Erscheinungsjahr
2021
Zeitschriftentitel
Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie
Band
73
Ausgabe
1
Seite(n)
75-112
Urheberrecht / Lizenzen
eISSN
1861-891X
Finanzierungs-Informationen
Open-Access-Publikationskosten wurden durch die Universität Bielefeld im Rahmen des DEAL-Vertrags gefördert.
Page URI
https://pub.uni-bielefeld.de/record/2954983
Zitieren
Steinmetz W. Macht – Leistung – Kultur: Staatenvergleiche vom 17. bis ins frühe 20. Jahrhundert. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. 2021;73(1):75-112.
Steinmetz, W. (2021). Macht – Leistung – Kultur: Staatenvergleiche vom 17. bis ins frühe 20. Jahrhundert. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 73(1), 75-112. https://doi.org/10.1007/s11577-021-00756-w
Steinmetz, Willibald. 2021. “Macht – Leistung – Kultur: Staatenvergleiche vom 17. bis ins frühe 20. Jahrhundert”. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 73 (1): 75-112.
Steinmetz, W. (2021). Macht – Leistung – Kultur: Staatenvergleiche vom 17. bis ins frühe 20. Jahrhundert. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 73, 75-112.
Steinmetz, W., 2021. Macht – Leistung – Kultur: Staatenvergleiche vom 17. bis ins frühe 20. Jahrhundert. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 73(1), p 75-112.
W. Steinmetz, “Macht – Leistung – Kultur: Staatenvergleiche vom 17. bis ins frühe 20. Jahrhundert”, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, vol. 73, 2021, pp. 75-112.
Steinmetz, W.: Macht – Leistung – Kultur: Staatenvergleiche vom 17. bis ins frühe 20. Jahrhundert. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. 73, 75-112 (2021).
Steinmetz, Willibald. “Macht – Leistung – Kultur: Staatenvergleiche vom 17. bis ins frühe 20. Jahrhundert”. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 73.1 (2021): 75-112.
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